Oliver Müller: "Das grenzt an Arbeitsverweigerung“
Da steckt die Stadt Celle, wie die ganze Republik, in der schwersten Krise seit Jahrzehnten, und der Oberbürgermeister ist nicht willens oder in der Lage, den Rat und die Öffentlichkeit mit Basisinformationen zu versorgen. Oliver Müller, Fraktionschef von Die Linke/BSG, konnte nur verwundert den Kopf schütteln, als er jetzt die Antwort auf eine Anfrage seiner Fraktion zu den Corona-Folgen las. Vor drei Wochen hatte er der Verwaltung einen Fragenkatalog vorgelegt, in dem er unter anderem wissen wollte, welche Daten es zu dem Krankheitsverlauf in der Stadt und auch zum Arbeitsmarkt gibt. Der Oberbürgermeister aber lässt den Rat unwissend und verweist auf die Zuständigkeit von Gesundheitsamt des Landkreises und der Arbeitsagentur.
Das grenzt an Arbeitsverweigerung", so Müller, und weiter: "Wie soll denn der Rat sinnvoll auf die Krise reagieren, wenn die Verwaltung nicht bereit ist, ihn mit Grundlageninformationen zu versorgen. Sollen jetzt alle Ratsmitglieder sich persönlich an die Arbeitsagentur wenden?"
Auch die Antworten zur Betroffenheit der städtischen Betriebe und Gesellschaften sind nach Auffassung Müllers gänzlich unzureichend: "Man kann uns doch da nicht darauf verweisen, dass die Beantwortung der Fragen in der Zuständigkeit der Aufsichtsräte liegt. Der Rat und die Öffentlichkeit haben hier doch ein Interesse an Transparenz über die Krisenauswirkungen. Wie kann der Oberbürgermeister das mit lapidaren Formulierungen abtun?"
Denn die Tiefe der Krise offenbart immerhin die finanziellen Auswirkungen für den städtischen Haushalt. Eine Verschlechterung gegenüber dem geplanten Haushalt von rund 15 Millionen sind aus Müllers Sicht kein Pappenstiel: "Kaum meinten wir aus dem Härtesten raus zu sein, stecken wir nun tiefer im Dispo denn je." So ist es für Oliver Müller sozusagen ein Offenbarungseid, wenn der Oberbürgermeister auf die Frage, welche Überlegungen es seitens der Verwaltung hinsichtlich der mittelfristigen Krisenbewältigung gibt, die Antwort verweigert: "Wir haben die Frage bewusst allgemein formuliert, um wenigstens im Ansatz etwas aus der Chefetage des Rathauses zu hören. Aber wenn da nichts kommt, dann ist da wohl auch nicht viel."
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Hier die Fragen und die Antworten:
1.) Wie haben sich seit März die Covid-19-Zahlen in der Stadt Celle entwickelt? Bitte differenzieren nach Infizierten, im Krankenhaus behandelten und Verstorbenen – sowie eine Zuordnung nach Alter und Geschlecht soweit dies möglich ist.
Die Zuständigkeit für die Beantwortung dieser Frage liegt beim Gesundheitsamt des Landkreises Celle; die Stadt Celle hält diese Daten nicht vor.
2.) Wie hat sich die Corona-Krise in der Stadt Celle auf den Arbeitsmarkt ausgewirkt? Bitte Differenzierung nach Betroffenen-Fallzahlen hinsichtlich SGB III, SGB II und Kurzarbeit sowie falls möglich – nach Branchen.
Die Zuständigkeit für die Beantwortung dieser Frage liegt bei der Agentur für Arbeit; die Stadt Celle hält diese Daten nicht vor.
3.) Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf den städtischen Haushalt? Welche Zahlen bzw. Prognosen gibt es hinsichtlich der Gewerbesteuer und ggf. anderer Steuern und Gebühren?
Das prognostizierte Haushaltsdefizit beläuft sich aktuell auf rund - 15,9 Mio. Euro im ordentlichen Ergebnis. Dies bedeutet eine Verschlechterung gegenüber dem ursprünglich geplanten ordentlichen Ergebnis von ca. 15 Mio. Euro. Dabei tragen die zu erwartenden Rückgänge bei der Gewerbesteuer, sowie beim Gemeindeanteil an der Einkommen- und Umsatzsteuer mit insgesamt rd. 13 Mio. Euro den größten Anteil. Hinzu kommen Mindererträge bei der Vergnügungssteuer von ca. 300.000 Euro und bei den Gebühren bzw. den öffentlich-rechtlichen Entgelten, die auf rd. 200.000 Euro geschätzt werden. Das übrige Defizit ergibt sich auf der Ertragsseite durch Mindererträge bei den privatrechtlichen Entgelten (z.B. Erstattung der Kita-Beiträge und Einnahmeverluste Horte bis einschließlich Juli ca. 236.080 Euro) und den sonstigen ordentlichen Erträgen (z.B. eingeschränkter Betrieb der Congress Union; bisher ca. 500.000 Euro)
Neben Mindererträgen wird es auch zu erheblichen Mehraufwendungen kommen, welche zunächst im Rahmen der Budgetierung anderweitig zu kompensieren sind. Insbesondere aufgrund erhöhter Aufwendungen für den Gesundheitsschutz und den Erstattungen der Kita-Beiträge im Bereich der freien Träger und Tagespflege (bis einschließlich Juli ca. 347.000 Euro) wird eine solche Kompensation nicht vollumfänglich möglich sein.
Bei allen genannten Positionen handelt es sich um Schätzungen, die sich an der aktuellen Erlasslage orientierten und daher im Jahresverlauf -z.B. bei gesamtwirtschaftlicher Verschlechterung und weiter sinkenden Steuereinnahmen- noch starken Schwankungen unterliegen können. Für 2021 ist zudem bereits jetzt von rückläufigen Gewinnausschüttungen der Beteiligungen und geringeren Schlüsselzuweisungen auszugehen.
4.) Welche personelle (Kurzarbeit) und finanziellen Auswirkungen hat die Corona-Krise bisher auf die städtischen Betriebe und Gesellschaften (insbesondere Congress Union, CD-Kaserne, Bomann-Museum, Stadtwerke…aber auch -falls möglich– Schlosstheater)?
Die Zuständigkeit der Beantwortung liegt grundsätzlich bei den Aufsichtsräten der Einrichtungen. Das Schlosstheater (seit 19.3.2020 weitestgehend in Kurzarbeit) ermittelt Einnahmeausfälle fortlaufend, da der Spielbetrieb bis zu den Sommerferien ausgesetzt ist; damit wird sich der Theatervorstand befassen.
Im Bomann-Museum werden ebenfalls die Einnahmeausfälle ermittelt und mit den Gesellschaftern eruiert werden. Die Mitarbeitenden des Bomann-Museums sind mit der Vorbereitung der kommenden Ausstellungen befasst bzw. waren während der Schließung bis zum 5. Mai 2020 in anderen Bereichen der Stadtverwaltung im Einsatz (z.B. Hotlines, Überwachung des Desinfektionsmitteleinsatzes in öffentlichen Bereichen des Neuen Rathauses).
5.) Welche finanziellen Auswirkungen hat die Corona-Krise für Vereine in den Bereichen Sport und Kultur? Wurden dort Hilfen von Bund/ oder Land beantragt?
Vereine im Bereich Kultur: alle Fördermöglichkeiten in Zusammenhang mit Corona, die dem Fachdienst Kultur bekannt werden, werden umgehend an alle Celler Kulturvereine (von atelier 22 bis Zupforchester) weitergeleitet. Die Kulturakteure sind bemüht, für coronabedingt ausgefallene Veranstaltungen Ersatztermine in der Nach-Corona-Zeit zu finden, um die finanziellen Einbußen so gering wie möglich zu halten. Ob dies gelingt, wird erst nach Lockerung aller Einschränkungen sichtbar werden. Der Fachdienst steht beratend zur Verfügung.
Vereine im Sportbereich: alle, durch Politik und Verwaltung entschiedene, finanzielle Unterstützungen wurden verwaltungsseitig Prioritär behandelt und an die Sportvereine ausgezahlt. Die Sportvereine versuchen ihrerseits, soweit möglich, für coronabedingt ausgefallene Veranstaltungen Ersatztermine zu finden, um die finanziellen Einbußen so gering wie möglich zu halten. So ist z.B. der Wasalauf für den 31.10.20 vorgesehen.
6.) Welche Notwendigkeiten ergeben sich hinsichtlich der weiteren Krisenbewältigung für die Stadt Celle im Grundschulbereich?
Akut keine. Alle im "Niedersächsischen Rahmen-Hygieneplan Corona Schule" geforderten Maßnahmen des Schulträgers sind umgesetzt. Seit 4. Mai werden die 4. Klassen wieder beschult; der Schulbetrieb wird im Rahmen des Stufenplans des Niedersächsischen Kultusministeriums schrittweise hochgefahren. Die Notbetreuung ist an allen Celler Grundschulen gewährleistet. Die Stadt als Schulträgerin steht im Rahmen ihrer Verpflichtungen parat, falls die Schulen noch zusätzlichen Handlungsbedarf haben sollten.
7.) Welche Überlegungen gibt es seitens der Verwaltung zur mittelfristigen Krisenbewältigung in den angesprochenen Bereichen?
Eine Beantwortung der Frage ist ohne konkrete Präzisierung nicht möglich.